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Klimawandel
Krieg um Öl
Klimawandel

Das große Schmelzen hat begonnen

Abbrechende Eisberge, schwere Überschwemmungen und andere Folgen der globalen Erwärmung

von Mojib Latif ,  DIE ZEIT 14/2002

Das Abbrechen riesiger Eismassen in der Antarktis vor wenigen Tagen hat die Klimaproblematik wieder in den Blickpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Die Ursachen für dieses spektakuläre Ereignis sind zwar noch nicht eindeutig geklärt, doch eines steht fest: Der globale Klimawandel ist in vollem Gange.

So war die Dekade von 1990 bis 2000 auf der Nordhalbkugel die wärmste in den vergangenen 1000 Jahren.   Der Meeresspiegel ist in den vergangenen 100 Jahren um etwa 15 Zentimeter gestiegen. Der Gehalt von   Kohlendioxid CO2) in der Atmosphäre ist rund 500 000 Jahre lang nicht so hoch gewesen wie heute, und   dieser alarmierende Wert wird weiter steigen.

Der Grund hierfür ist unstrittig: Der Mensch erzeugt Energie vor allem durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe (Erdöl, Erdgas, Kohle), und dabei entsteht CO2, das zusammen mit anderen so genannten Treibhausgasen zu einer Erwärmung der unteren Luftschichten führt, zum "anthropogenen Treibhauseffekt".

Die Auswirkungen dieser globalen Erwärmung sind schon jetzt zu beobachten. So wird beispielsweise das Meereis in der Arktis immer dünner und ist inzwischen nur noch halb so dick wie vor 50 Jahren. Dies hat   gravierende Folgen für die dort lebenden Menschen und Tiere, denen der natürliche Lebensraum abhanden  kommt. Außerdem ziehen sich die Gebirgsgletscher immer stärker zurück, was in den Alpen eindrucksvoll zu beobachten ist. Nicht zuletzt wegen der globalen Erwärmung und dem damit zusammenhängenden Schmelzen der Gebirgsgletscher ist vor einigen Jahren der "Ötzi" wieder aufgetaucht.

Im Mittelmeerraum müssen sich die Menschen an immer stärkere und länger anhaltende Hitzewellen   gewöhnen, zugleich an sintflutartige Regenfälle, die schwere Überschwemmungen und Erdrutsche nach sich ziehen. Die tropischen Ozeane erwärmen sich rapide, was zu einem ungeahnten Korallensterben geführt hat. All dies sind Anzeichen des globalen Klimawandels, und die Liste der Veränderungen ist noch viel länger.

Auch bei uns lassen sich bereits die ersten Folgen der globalen Erwärmung beobachten. Die sehr milden Winter in den vergangenen Jahrzehnten sind vor allem auf den anthropogenen Treibhauseffekt zurückzuführen. Als Konsequenz registrieren wir beispielsweise einen Rückgang der Schneefälle. Während die heute 50-Jährigen als Kinder fast in jedem Winter Schlitten fahren konnten, müssen Kinder heute oft viele Jahre auf größere Mengen Schnee warten. Die winterlichen Westwinde nehmen zu, und sie bringen immer mehr Niederschläge, wobei sich extrem starke Niederschläge in sehr kurzer Zeit häufen. Dadurch erhöht sich in Deutschland die Hochwassergefahr, wie man an den Überschwemmungen der vergangenen Tage wieder einmal erkennen konnte.

Aber dies sind erst die Anfänge. Die globale Erwärmung betrug in den vergangenen 100 Jahren etwa 0,6 Grad Celsius. Steigt der Gehalt von CO2 und anderen so genannten Treibhausgasen in der Atmosphäre weiter ungebremst, wird sich die Erde in den nächsten 100 Jahren um weitere drei bis fünf Grad erwärmen - ein Anstieg, der in seiner Rasanz einmalig in der Geschichte der Menschheit wäre und dem Temperaturunterschied zwischen der letzten Eiszeit und heute entspräche.

Die Folgen wären dramatisch. Im Sommer müssten wir uns auf Hitzewellen gefasst machen, die es heute nur im südlichen Mittelmeerraum gibt. Gleichzeitig nähmen die extremen Niederschläge zu. Wir hätten mit Gewitterschauern zu rechnen, wie wir sie bislang nur aus den Tropen kennen. Im Hochgebirge käme es zu extremen Schneefällen, was die Lawinengefahr erhöhen würde. Stürme würden häufiger und jeder für sich heftiger. Der Meeresspiegel würde bis zum Ende des Jahrhunderts um etwa einen halben Meter steigen - und langfristig noch viel höher, falls die gewaltigen Landeismassen Grönlands und der Antarktis zu schmelzen beginnen.

Diese Entwicklung können wir nicht mehr ganz aufhalten. Das Klima ist ein relativ träges System, das nur langsam auf externe Einflüsse reagiert. Noch allerdings können wir das Klima auf einem Niveau stabilisieren und die schlimmsten Veränderungen verhindern. Dazu bedarf es einer langfristigen Strategie zur Reduzierung des weltweiten Ausstoßes von Treibhausgasen, der innerhalb der kommenden 100 Jahre auf einen Bruchteil der heutigen Menge sinken muss. Dies wird nur möglich sein, wenn man allmählich die fossilen Brennstoffe durch alternative Energien ersetzt, insbesondere durch Sonnenenergie, die auf der Erde im Überfluss vorhanden ist.

Mojib Latif (47) leitet die Forschungsgruppe Klimamodelle am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg

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